Hier wird dem Scharia-Islam Geltung verschafft

Zum Gespräch: Scharia. Eine Gefahr für das deutsche Recht?


(Aus: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Necla Kelek)

Auf dem Rechtspolitischen Neujahrsempfang des Bundesjustizministeriums nahm die Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger zum Thema Islam und Recht Stellung. Sie fordert, „statt Angstdebatten brauchen wir eine vorurteilsfreie Diskussion über die Religionen und ihre Rechte. Über islamisches Recht müssen wir zunächst viel mehr wissen.“ Was sie uns dann als ihre Kenntnis des islamischen Rechts, der Scharia, und der Religionsgeschichte vermittelt, ist Kulturrelativismus in seiner reinsten Form.

Ich beschäftige mich seit geraumer Zeit mit Fragen der Integrationspolitik, dem Islam und den Zielen von Islamverbänden wie dem „Zentralrat der Muslime“ (ZMD) und der „Milli Görüs“ (IGMG). Deren rechtspolitischer Mentor, Prof. Mathias Rohe, wird von Frau Leutheusser Schnarrenberger „wie kein Zweiter in Deutschland“ für kompetent gehalten, über das islamische Recht zu sprechen. […]

Dass der von Frau Minister geladene Neujahrsfestredner Mathias Rohe islamische Rechtsauffassungen über die Hintertür des Methodenstreits in unser Recht implantieren will, sollte zumindest im Justizministerium wahrgenommen worden sein. Er war es, der als Mitglied der entsprechenden Arbeitsgruppe der ersten Islamkonferenz mit dafür gesorgt hat, dass – gegen den Widerstand der säkularen Muslime – empfohlen wurde, das Kopftuch bei Kindern „als religiöse Vorschrift“ zu akzeptieren und an Schulen zu dulden. Die Justizministerin vermittelt den Eindruck, Grundgesetz und Scharia seien nur unterschiedliche Möglichkeiten, Recht zu sprechen. Und wie die Islamfunktionäre vermeidet sie das „vorurteilsbeladene“ Wort Scharia. […]

Die Justizministerin tut so, als würden alle Religionen dieselben universellen Prinzipien vertreten, als seien sie in ähnlicher institutioneller Verfassung. Dieser Meinung fehlt die materielle Grundlage. Auch schafft es Frau Leutheusser-Schnarrenberger nicht, den politischen Kern und den spirituellen Glauben des Islam auseinanderzuhalten. Sie schreibt: „Heute ist das Wort Parallelgesellschaften populär.“ Ganz so, als handle es sich bei Integrationsproblemen um ein Hirngespinst.

Dass wir es bei dem Islam mit einer Weltanschauung und Religion zu tun haben, die bisher nicht bereit ist, Politik und Religion zu trennen, weil sie auf dem Vorrang der göttlichen Offenbarung vor menschlichen Gesetzen besteht, wird wegdiskutiert. Auch dass es keine Verbindlichkeit der Lehre, keine Theologie, keine Institution oder Mitgliedschaft gibt, sondern nur Selbstzuordnung und Allgemeinvertretungsanspruch, scheint ihr unerheblich. […]

Offensichtlich bereitet die Justizministerin die Anerkennung der Islamverbände als Körperschaften des öffentlichen Rechts vor, obwohl diese die Voraussetzungen dafür nach bisheriger Ansicht des Innenministeriums weder erfüllen wollen und können. Sie will im Sinne des Scharia-Islam „dem religiösen Leben“, wie es zum Beispiel die Milli Görüs definiert und Mathias Rohe legitimiert, rechtliche Geltung verschaffen. […]

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15. Februar 2011