Zum Gespräch: Streit um den Islam: Brauchen wir eine christlich-jüdische Leitkultur?
Aus der Regierungserklärung des Bundesministers des Innern, Dr. Wolfgang Schäuble, zur Eröffnung der Deutschen Islam Konferenz vor dem Deutschen Bundestag am 28. September 2006 in Berlin:
In Deutschland leben heute zwischen 3,2 und 3,5 Millionen Muslime. Die meisten von Ihnen sind vor Jahrzehnten mit ihren Traditionen und Gewohnheiten, mit ihrer Religion und mit ihrer Kultur in dieses Land gekommen. Viele von ihnen haben, wie der Regisseur Fatih Akin es beschrieben hat, „vergessen, zurückzukehren“. Der Islam ist Teil Deutschlands und Teil Europas, er ist Teil unserer Gegenwart und er ist Teil unserer Zukunft. Muslime sind in Deutschland willkommen. Sie sollen ihre Talente entfalten und sie sollen unser Land mit weiter voranbringen.
Um Perspektiven für die gemeinsame Zukunft zu schaffen, müssen wir versuchen, die Probleme zu lösen, die das Zusammenleben mit Muslimen in unserem Land belasten: Religionsunterricht in Koranschulen und an staatlichen Schulen, Kopftuch, Imamausbildung, die Rolle der Frauen und Mädchen, das Schächten – um nur ein paar Stichworte zu nennen. Neben solchen Alltagsproblemen führt der islamistische Terror zu Ängsten und Argwohn in der Bevölkerung. Viele Muslime finden sich zu Unrecht unter einen Generalverdacht gestellt, ausgegrenzt und nicht voll in die deutsche Gesellschaft aufgenommen.
Viele Muslime erwarten zu Recht, dass so ähnlich, wie der Staat Beziehungen zu den christlichen Kirchen und zur jüdischen Gemeinschaft unterhält, er auch Beziehungen zu den Muslimen entwickelt – was insofern komplizierter ist, als die Muslime nicht so verfasst sind wie die christlichen Kirchen. Einen Anstoß zu geben, miteinander zu diskutieren, ist einer der wesentlichen Beweggründe für die Islamkonferenz.
Uns geht es, wie es im Koalitionsvertrag steht, um einen Dialog mit den Muslimen in Deutschland, die nicht mehr länger eine ausländische Bevölkerungsgruppe darstellen, sondern Bestandteil unserer Gesellschaft geworden sind.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP).
Das muss den Muslimen und auch dem nicht muslimischen Teil unserer Gesellschaft vermittelt werden.
Durch das Grundgesetz wird mehr als durch viele andere Ordnungen Raum für ein friedliches, vielfältiges, kulturelles und tolerantes Zusammenleben geboten. Deswegen ist es im Interesse aller, dass das Grundgesetz nicht verhandelbar ist.
In dieser Ordnung, die von christlicher Ethik geprägt ist, muss der Islam seinen Platz finden.