Zum Gespräch: Streit um den Islam: Brauchen wir eine christlich-jüdische Leitkultur?
Auszüge aus den Reaktionen auf die Regierungserklärung von Innenminister Schäuble
Deutscher Bundestag, 28. September 2006
Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Schäuble, ich beglückwünsche Sie dafür, dass Sie gesagt haben: Muslime sind in unserer Gesellschaft ein Stück unserer Vergangenheit, unserer Gegenwart und unserer Zukunft. Wenn ein CDU-Bundesinnenminister am Rednerpult sagt, dass Muslime Teil unserer Gesellschaft sind und die Zeit der Einschätzung, es handele sich bei ihnen um Gastarbeiter, zu Ende ist, dann sind wir in der Gesellschaft einen Schritt weitergekommen; denn der Gastarbeitermythos gehörte längst abgeschafft.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und der LINKEN)
Herr Schäuble, ich sage Ihnen auch: Zum Thema Integration, zur Einbürgerung des Islam, gehört nicht, dass wir ausschließlich von den Muslimen fordern, sich zu bewegen. Es ist vielmehr auch Aufgabe der aufnehmenden Gesellschaft, endlich zu zeigen, dass diese Gesellschaft jahrzehntelang nicht jeden Morgen gesagt hat: Die muslimische Religion ist hier willkommen.
Sibylle Laurischk (FDP):
Herr Innenminister, Sie haben eine ganz zentrale Aussage gemacht, die ich für richtig halte. Sie haben gesagt: "Muslime sind in Deutschland willkommen." Das muss gesagt werden; denn das muss bei dieser Diskussion klar sein. Nichts Unterschwelliges darf hier eine Rolle spielen.
Wir haben im Bereich der Integration viele Probleme, die wir lösen müssen. Das liegt an Versäumnissen. Wir haben unsere Vorstellungen und Forderungen gegenüber den zu uns kommenden Menschen in der Vergangenheit nicht hinreichend klar gemacht. Wir haben sie auch nicht hinreichend unterstützt, in ihrer neuen Heimat Wurzeln zu schlagen.
Hans-Peter Uhl (CDU/CSU):
Wer sich bewusst selbst abschottet, wie das viele Muslime derzeit leider tun, und wer Andersgläubige als Ungläubige ansieht und damit abwertet, wie das manche Muslime leider auch tun, der kann nur schwer integriert werden. Vielleicht will er sich dann auch nicht integrieren lassen. Wir fordern also den Respekt unserer Werteordnung und die Achtung unseres Grundgesetzes. Wer dazu nicht bereit ist, der muss sich fragen lassen, warum er dann ausgerechnet in unserem Lande leben will.
Die gestrige Islamkonferenz war der Auftakt zu einem notwendigen und längst überfälligen interkulturellen Dialog. Der Dialog darf nicht einseitig sein. Die Muslime müssen auf uns zugehen und auch wir müssen uns bewusst machen, dass die Verweigerung des Dialogs angesichts von 3 Millionen Muslimen deren Isolation und die Spaltung unserer Gesellschaft bewirken würde. Wer will dies verantworten?
Die gestrige Islamkonferenz war ein hoffnungsvoller Anfang. Dieser offene Prozess muss zu einem besseren Verständnis und zu einem Regelwerk über das Zusammenleben der aufgeklärten deutschen Muslime mit uns führen. Wenn dieser Dialog dazu führt, dass auch wir uns wieder bewusster darüber werden, was die christlich-abendländische Kultur im Innersten zusammenhält, dann wird dieser Dialog von allen Beteiligten mit Sicherheit als große Bereicherung empfunden werden.
Lale Akgün (SPD)
Wir reden von Menschen, die schon seit über 40 Jahren hier leben und zum Teil die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen. Wir sprechen von Familien, die in zweiter oder dritter Generation ihren Lebensmittelpunkt in Deutschland haben, von Menschen, die ihrer Arbeit nachgehen, Unternehmen gründen, Steuern zahlen, deren Kinder die deutschen Schulen besuchen usw. usf. Diese Menschen mit muslimischem Hintergrund sind ein selbstverständlicher Teil der deutschen Gesellschaft und stehen selbstverständlich zu den Werten des deutschen Grundgesetzes. Die deutschen Muslime, die ständig gefordert werden, gibt es längst.
Quelle:
Deutscher Bundestag, Plenarprotokoll 16/54, Berlin, Donnerstag, den 28. September 2006.