Zum Gespräch: Beschneidung. Menschenrecht oder Barbarei?
Der Deutsche Bundestag hat mit deutlicher Mehrheit das Gesetz zur Beschneidung von Jungen verabschiedet. Dazu erklärt der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dr. Dieter Graumann:
„Ich bin froh und erleichtert über den Beschluss des Deutschen Bundestags. Das Beschneidungsgesetz schafft endlich wieder Rechtssicherheit und beendet hoffentlich die häufig unselige Debatte, die das Jahr 2012 geprägt hat. Die Politik hat schnell und verantwortungsbewusst gehandelt. Dafür hat sie ausdrücklich Lob und Respekt verdient.
Für die jüdische Gemeinschaft in Deutschland ist das Gesetz eine vernünftige Grundlage, um ihre Religion weiterhin ungehindert ausüben zu können. Das jüdische Gebot der Beschneidung (Brit Mila) ist seit Jahrtausenden integraler Bestandteil des Judentums und elementares Merkmal der jüdischen Identität. Ein Verbot hätte jüdisches Leben in Deutschland tatsächlich am Ende unmöglich gemacht. Entscheidend für uns ist die politische Botschaft des Gesetzes, die heißt: Jüdisches und muslimisches Leben bleibt hier weiter willkommen. Das würdigen wir sehr.
Die Debatte über die Beschneidung seit dem Urteil des Kölner Landgerichts vom Juni 2012 hatte zum Teil ausgesprochen hässliche Züge angenommen und war für uns Juden häufig tief verletzend. Die vielen schroffen Belehrungen und Bevormundungen haben uns oft sowohl verwundert wie verwundet. Die Debatte war aus meiner Sicht auch ein Toleranz-Test für unsere Gesellschaft. Ich bin sehr froh, dass wir ihn bestanden haben. Ich bin auch zuversichtlich, dass der Respekt voreinander und das Verständnis füreinander nun wieder neu wachsen werden."
Nach jüdischer Tradition wird ein Kind männlichen Geschlechts am achten Tag seines Lebens beschnitten. Dieses Ritual erinnert an den heiligen Bund, den Gott mit dem Stammvater Abraham geschlossen hat. Durch die Beschneidung des männlichen Gliedes wird das Kind in diesen Bund aufgenommen. Man kann die Beschneidung auf einen späteren Termin verschieben, wenn es dafür triftige, z.B. gesundheitliche Gründe gibt. Die Beschneidung wird von einem Arzt oder einem dafür zuständigen Kultusbeamten, dem Mohel, vorgenommen, der medizinische Kompetenz haben muss.
Frankfurt/Berlin, 12. Dezember 2012/28. Kislew 5773