Zum Gespräch: Imame in Deutschland: Wer sind sie und wofür stehen sie?
„Ich stehe morgens um fünf Uhr zum Frühgottesdienst auf. Um sechs Uhr beginnen wir mit dem Frühgebet. Danach halte ich eine Predigt bis etwa sieben Uhr.
Danach frühstücke ich und bereite mich geistig auf den Unterricht mit den Kindern vor. Um neun Uhr schließe ich die Moschee auf, da kommen schon die ersten Schüler zum Kurs, obwohl dieser erst um zehn Uhr beginnt. Da die Eltern einkaufen fahren, muss ich noch eine Stunde das Kindermädchen spielen. Von zehn bis vierzehn Uhr unterrichte ich die Kinder, danach verrichten wir gemeinsam das Mittagsgebet.
Nach dem Mittagessen gehe ich in die Teestube der Moschee, um mit den älteren Gemeindemitgliedern zu sprechen. Zwischen dem Nachmittagsgebet und dem Abendgebet höre ich mir die Anliegen und Sorgen der Gemeinde an.
Nach dem Abendgebet mache ich Hausbesuche. Das mache ich einmal in der Woche, bis zum Nachtgebet. Danach sitze ich wieder in der Teestube der Moschee, um mit den Gemeindemitgliedern zu sprechen, die von der Mittagsschicht gekommen sind. Das ist wichtig, weil man sonst diese Mitglieder den ganzen Tag über nicht gesehen hat.
So gegen Mitternacht gehe ich dann ins Bett, um wieder um fünf Uhr morgens zum Gottesdienst aufzustehen. Dass ich gegen null Uhr meinen Kopf auf das Kissen lege, bedeutet aber längst nicht, dass ich auch sofort einschlafen kann. Nein, denn erstens verarbeite ich den ganzen Tag noch mal, weil ich tagsüber keine Gelegenheit zur Reflexion habe. Zweitens plane ich schon für den nächsten Tag. Ich bin ja nicht wie ein Elektrogerät, das man per Knopfdruck ausschalten kann. Dann denke ich noch mindestens eine halbe Stunde über die anliegenden Aufgaben wie Beschneidungen, Totenfeiern, Predigten für den nächsten Tag nach. Die Arbeit eines Imams ist wirklich ein 24-Stunden-Job.“
(Zitiert nach: Rauf Ceylan, Die Prediger des Islam, 2010, 7-8).